Nachdem die letzten Jahre ein regelrechter Hype um die Themen VR und AR losgetreten wurde und jede Menge Brillenhersteller neu am Markt erschienen sind, die Firma AR-Experts allein 180 Daten-Brillen seit 2016 getestet hat, ist es Zeit den aktuellen Status der Branche zu erfassen. Es ist zu prüfen, ob der initiale Hype auch in reale Anwendungsfälle in der Industrie überführt werden konnte. Zu diesem Zweck haben wir als AIT die XR Expo in Stuttgart vom 3.-4. Juli 2019 besucht. Hier hatten wir die Chance aktuelle XR-Einsatzmöglichkeiten in den Bereichen Industrie, Architektur, Medizin, Handel und Handwerk zu erleben und durch interessante Panel-Diskussionen den aktuellen Status der Branche zu analysieren. Weiterhin konnten wir aktuelle und zukünftige Trends in den Bereichen VR/AR ermitteln.
Die XR Expo fand dieses Jahr zum dritten Mal statt. Einige werden Sie noch unter dem Namen VR Expo kennen. Diesen Namen hat der Veranstalter VDC Fellbach nun angepasst, um den Fokus auch auf die Themen AR und MR zu legen. Der Artikel “Vergleich von XR-Typen” kann hierbei auch noch einmal Klarheit über die verschiedenen Namen in diesem Bereich geben. Mit über 59 Ausstellern, von großen Konzernen wie Audi bis zu kleinen und mittelständischen Unternehmen, war die Auswahl an Informationen breit gefächert. Leitthemen der Messe waren dieses Jahr die Business Transformation mit XR, Künstliche Intelligenz & XR, Future XR Tech Trends sowie XR User Interface Design.
Exponate
Die Vielfalt der Exponate war auch dieses Jahr wieder groß. So konnten wir mehrere Daten-Handschuhe mit haptischem Feedback ausprobieren. Diese lassen die Immersion von VR-Applikationen noch größer werden und die Interaktion mit den virtuellen Welten noch natürlicher wirken. Namentlich waren das die Handschuhe der Firmen ART – Advanced Realtime Tracking Gmbh und Manus-VR . Die beiden Firmen verfolgen einen leicht unterschiedlichen Ansatz. Der Handschuh der Firma ART trackt bisher nur drei Finger. Jedoch lässt sich dieser schnell und unkompliziert an und ausziehen, da er mehr einen Aufsatz für die Hand als einen kompletten Handschuh darstellt.
Dahingegen erfassen die Handschuhe von Manus-VR alle fünf Finger, sind dafür beim Auf- und Absetzen etwas komplizierter. Beide Handschuhe erlauben ein sehr genaues Tracking der Finger, wobei das Feedback beim Handschuh der Firma ART gefühlt besser war. Nachteil ist jedoch, dass der Handschuh nur zusammen mit dem Tracking-System von ART funktioniert. Beim Ausprobieren beider Lösungen lässt sich jedoch das Potential erahnen, das mit solchen Datenhandschuhen möglich ist. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man Objekte im virtuellen Raum wirklich anfassen und herum schieben kann und diese nicht umständlich und für viele nicht intuitiv über Controller bewegt werden müssen.
Weitere spannende Stände, die uns als Softwaredienstleister besonders interessiert haben, waren die Stände von VisionLib und PTC. Beide Firmen bieten jeweils ein SDK an, damit eigene Softwareapplikationen um die Funktionen der Objekterkennung und Objekttracking erweitert werden können. Hierbei hat gefühlt die Firma VisionLib im letzten Jahr einen größeren Schritt nach vorne gemacht. Das ist besonders beachtlich, da hinter der Firma gerade mal ein acht Mann Entwickler-Team steht. Besonders spannend ist das noch in der Alpha befindliche Feature “state detection”, bei dem Objekte nicht nur erkannt werden können, sondern auch Statusänderungen erfasst werden. So würden sich beispielsweise Reparaturen, die ein Service Techniker durchführen muss, durch die Software auf die Richtigkeit der Ausführung überprüfen lassen.
Diese Feature fehlt noch bei Vuforia. Einen Gesamtüberblick über die Aussteller und deren weitere spannende Exponate finden Sie hier.
Status Quo & Technologietrends
Durch die Exponate der Aussteller und die vielen interessanten Fachvorträge, lassen sich einige Kern Use-Cases erkennen, die mithilfe der Technologien VR/AR zukünftig wunderbar abgedeckt oder erweitert werden können oder die bereits produktiv im Einsatz sind.
Darunter fallen:
- Remote Assistance
- Interaktives Training von Mitarbeitern: z.B. setzt die Firma Stihl gezielt VR Technologie beim Trainieren mit ihren Kettensägen ein. Diese konnte man natürlich auch auf der Messe selbst ausprobieren. Audi hingegen setzt auf AR beim Training in der Qualitätssicherung. Hierzu wird die Microsoft HoloLens verwendet.
- Interaktive Wissensdatenbanken: So z.B. PTC’s „Vuforia-Expert-Capture “. Mithilfe dieser Datenbanken lassen sich komplexe Arbeitsabläufe von Experten direkt am Gerät aufnehmen und später von Auszubildenden jederzeit abrufen. Vuforia-Expert-Capture setzt hierbei auf Azure Spatial Anchors, welches wir hier auch schon vorgestellt haben.
- Soziale Interaktion sowie Produktdesign über Standortgrenzen hinweg: So nutzt Audi VR Technologien bei Design Prozessen, um über verschiedene Standorte Prozesse mithilfe von VR zu beschleunigen und effizienter zu gestalten.
Ein weiterer Trend, der auf der Messe wahrgenommen werden konnte, war die Zusammengehörigkeit der beiden Technologien XR und AI. Hierbei kann AI vor allem beim Erkennen des Kontext helfen. Die tollste Visualisierung hilft einem Mitarbeiter wenig, wenn sie an der falschen Stelle oder zur falschen Zeit platziert ist. Mithilfe von AI und den dadurch gewonnen Möglichkeiten, wie Objekterkennung oder Mustererkennung in Tondateien, erhofft man sich, die richtigen Daten am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu platzieren und dies voll automatisiert. Bisher ist dies ein sehr aufwendiger und oftmals manueller Prozess.
Auch der neue Netzstandard 5G wurde ausführlich auf der Messe diskutiert. Dieser verspricht neue Maßstäbe in Sachen Bandbreite, bei stabiler Konnektivität und kurzen Latenzen. Dies ermöglicht neue Denkweisen, wann und wo der Content für Datenbrillen verarbeitet wird. So stellte z.B. das Frauenhofer Institut mit seiner Lösung instant3Dhub eine Visualisierung-as-a-Service-Lösung vor. Solch eine Lösung erfordert jedoch eine stabile Funkverbindung, die heutzutage Unternehmen gerade in Produktionsumgebungen oftmals vor Probleme stellt.
Hype-Zyklus nach Gartner Inc. Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/c/c6/Gartner_Hype_Zyklus.svg/400px-Gartner_Hype_Zyklus.svg.png
Wenn man die Diskussionspanels aufmerksam verfolgt hat, lässt sich bei aller Euphorie für die Themen jedoch auch erkennen, dass sich die beiden Technologien AR/VR nach dem Gartner Hype-Zyklus im sogenannten Tal der Enttäuschung oder maximal kurz dahinter befinden.
Viele Pilotprojekte, die mit zu vielen Versprechen und Erwartungen gestartet sind, haben der harten Realität im Arbeitsalltag nicht standgehalten und zu Ernüchterung und Enttäuschungen geführt. Es lässt sich jedoch auch erkennen, dass ein erfolgreich umgesetztes Projekt im Bereich AR/VR die Produktivität der Mitarbeiter effizienter und effektiver gestaltet.
Falls Sie auf der Suche nach einem starken Umsetzungspartner für Ihre Digitalisierungsvorhaben im Bereich AR/VR sind, dann sprechen Sie uns gerne an. Mit unserem Wissen und Kompetenzen zu neuesten Technologien im industriellen Umfeld unterstützen wir Sie gerne bei der Bewältigung Ihrer digitalen Herausforderungen!