Die Unternehmen des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus sehen sich mit Herausforderungen konfrontiert, wie seit Dekaden nicht mehr. Auf dem 11. Deutschen Maschinenbau-Gipfel wurden diese Aufgaben ebenso diskutiert, wie innovative Lösungen, Strategien, Geschäftsmodelle und wie moderne Technologien dabei helfen können. Wir waren als Aussteller mit unserer Intelligent Factory sowie als Besucher vor Ort und berichten hier über unsere Highlights des Kongresses.
Das Programmheft war vollgepackt. Als erstes fällt auf, dass es in diesem Jahr, laut Auskunft der Organisatoren das erste Mal in der Geschichte des Gipfels, drei Konferenzen in einer waren. So gab es drei Schwerpunktthemen in Form von s.g. Fokus-Konferenzen. Diese waren wie folgt aufgeteilt:
- Digitalisierung (Themen: Fabrik der Zukunft, Neue Industrie-Welten durch künstliche Intelligenz, Digitale Kultur)
- Märkte (Themen: Europa fit machen für den globalen Wettbewerb, Handel im Wandel – Marktzugang trotz neuer Handelsbarrieren, Future Business – Trends für die Märkte der Zukunft)
- Mobilität (Themen: Wettlauf der Antriebe, Trends in der Mobilität, Logistik 4.0)
Das Motto des Gipfels lautete “Zukunft produzieren”. Darauf hat sich auch VDMA-Präsident Carl Martin Welcker gleich am Dienstagmorgen in seiner Eröffnungsrede bezogen. Auf der einen Seite hat er zwar bescheinigt, dass “die Party noch nicht vorbei [ist], aber man nah am Ausgang tanzen [sollte]”, jedoch ist er nicht sonderlich erfreut, dass er ständig auf das Thema Abschwung angesprochen wird. Vielmehr wolle er über die Zukunft sprechen und den Blick nach vorn richten. Dazu passt dann auch wieder das Motto der Veranstaltung. Der globale Handelsstreit habe direkte Auswirkungen auf solch eine exportbasierte Branche, wie sie in Berlin vertreten war. Der Blick auf die größten Märkte USA und China bereite ihm große Sorgen. Die gesamte Branche habe lernen müssen, dass die globale, grenzüberschreitende Arbeitsteilung fragil ist.
Nach der Eröffnung der Konferenz hat die Kanzlerin den Gipfel besucht und der Branche ihre volle Unterstützung beim Abbau bürokratischer Hürden zugesichert. Damit hat sie u.a. direkt Bezug auf die kritischen Worte von VDMA-Präsident Welcker genommen, der ganz konkret die Entsenderichtlinie und das A1-Formular für europäische Auslandseinsätze kritisiert hatte. Frau Merkel hat dafür direkt konstruktive Vorschläge im Gepäck, beispielsweise die Fristen für das A1-Formular so zu gestalten, dass es auch rückwirkend auszufüllen sein sollte. Das liege jedoch nicht allein in ihren Händen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass 99% aller deutschen Unternehmen dem Mittelstand zuzurechnen seien, treffen solch vernehmliche Töne auf offene Ohren beim Publikum. Doch auch noch ein weiteres Thema treibt die Bundeskanzlerin als auch die Unternehmen um: Die Souveränität der Daten in Europa. Wer wo welche Daten verarbeitet, und wie man sich vor Cyberkriminalität als Unternehmen schützen kann, diese Fragen haben einen hohen Stellenwert. Aus Sicht der Kanzlerin ist es aber auch wichtig , dass wir neben allen technischen Digitalisierungsschritten vor allen Dingen auch ein Bewusstsein dafür brauchen, wie wichtig Digitalisierung ist, und wie sie unser gesamtes Leben verändern wird.
Ein weiteres dominierendes Thema war die 5G-Entwicklung bzw. die 3GPP Initiative, welche mittels weltweiter Kooperation die Weiterentwicklung von Mobilfunkstandards vorantreibt. Als anschauliches Beispiel für 5G-Erfolge diente hierbei die Eisenbahn Lucy, die bereits ohne Lokführer unterwegs ist. In einem spannenden Beitrag hat Siemens Manager und Board Mitglied der 5G-ACIA Herbert Wegmann die Zuschauer mitgenommen auf eine Reise “von 5G zum industriellen 5G”. Bei all den Herausforderungen für die Branche ist es gut zu sehen, dass es auch in diesem Bereich wieder ein Novum gibt, welches in Deutschland das Licht der Welt erblickt hat. Die Rede ist von einem eigenen Frequenzband für die Industrie. Im Bereich von 3,7 – 3,8 GHz ist der Betrieb lokaler Funknetze im 5G-Standard möglich, welche z.B. für die drahtlose Vernetzung im Shopfloor dienen können.
Auch die Blockchain war als Thema auf dem Gipfel vertreten. Wie auch in anderen Branchen wird auch hier fleißig über Einsatzmöglichkeiten nachgedacht, die das Potenzial der Distributed Ledger Technology nutzen können. Ein Highlight dabei ist, dass Airbus diese Technologie nutzt, um Ersatzteile mittels 3D-Druck als additives Fertigungsverfahren, dezentral herstellen zu lassen. Somit ist es nicht mehr erforderlich, dass ein Ersatzteil verfügbar und auch noch möglichst schnell um die halbe Welt geliefert werden kann. Denn nun ist es möglich im Bedarfsfall das Ersatzteil an einem nahe des jeweiligen Flugzeugstandorts befindlichen 3D-Drucker herstellen zu lassen, um es dann sofort verbauen zu können.
Die 3D-Drucker sind über das Blockchain-Netz angeschlossen und können sogar von einem externen Dienstleister betrieben werden. So ist es möglich, dass der Hersteller festlegt, welches Teil von welchem autorisierten Drucker wie oft gedruckt wird. Nur autorisierte Personen bzw. Drucker erhalten Zugang zu den Daten. Es ist sichergestellt, dass nur die Originaldaten gedruckt werden und keine Raubkopien davon erstellt werden können. Da der ganze Vorgang revisionssicher in der Blockchain ist, entsteht auch gleich noch die erforderliche Prozessdokumentation.
Die Ziele des vorgestellten Projektes SAMPL gehen bis dahin, dass 3D-Druckerhersteller ihre Geräte direkt in das Blockchain-basierte Netzwerk integrieren und somit eine sichere Schnittstelle für lizenzbasiertes Drucken anbieten können. Daneben gibt es noch weitere Beispiele, wie der Fall Air New Zealand, bei dem dies bereits mit einer auf der Microsoft Azure Cloud basierten Lösung in der Praxis durchgeführt wurde.
Über die Fabrik der Zukunft hat Ralf Schubert, geschäftsführender Gesellschafter der Gerhard Schubert GmbH, berichtet. Sein Unternehmen ist auf TLM-Verpackungsanlagen spezialisiert und beschreitet auf dem digitalen Pfad innovative Wege, um seinen Kunden zukunftssichere und auch flexible Lösungen zu liefern. Dabei kommt Herr Schubert sicher sein Hintergrund des Informatikstudiums zu Gute. Anders ist es kaum zu erklären, dass es für ihn selbstverständlich erscheint, ein PLM-System zu implementieren, mit dem ein digitaler Zwilling der Maschine als lauffähiges 3D-Modell bereitsteht. Dabei schreckt er auch vor tiefgehenden Eingriffen in die Arbeitsprozesse nicht zurück. So zielt er darauf ab, dass der Mechaniker in Zukunft den digitalen Zwilling programmiert – unter Einsatz einer eigens dafür entwickelten Programmiersprache. Das Ganze soll bereits 2023 auf der Interpack zu sehen sein.
Zum Thema veränderte Arbeitswelten gab es noch viele weitere Beispiele. So hat Thomas Pilz, der mit seinem Unternehmen der Pilz GmbH gerade erst Opfer eines Cyberangriffs geworden ist, sehr differenziert dargelegt, dass Digitalisierung und Agilisierung einander nicht bedingen und schon gar keinen Automatismus bilden. Trotz der aktuellen Lage in seinem Unternehmen nach dem Cyberangriff hat er es sich nicht nehmen lassen, mit schwäbisch ruhigem Gemüt über die Entwicklung in seinem Unternehmen zu berichten. Dabei ist ihm eines besonders wichtig darzulegen: Digitalisierung löse nicht automatisch verkrustete Strukturen auf. Aber Digitalisierung sei ein Enabler für Agilität. So können mit relativ einfachen Schritten in Form von CAD-Zeichnungen auch die Mechaniker iterativ, inkrementell arbeiten. Diese Entwicklung sei unabdingbar, es bringe in erster Linie zufriedenere Mitarbeiter und folglich auch zufriedenere Kunden.
Die zwei Tage waren so voll gepackt, dass man hier noch viele weitere Punkte aufführen könnte. So wurde noch über den Einsatz von Low-Code-Technologien in der SW-Entwicklung diskutiert, um mehr Fokus auf die Geschäftsfälle und weniger auf die Implementierungstechnologie zu haben. Johann Soder hat als COO tiefe Einblicke in die veränderte Arbeitswelt durch Digitalisierung (in) der Produktion bei SEW Eurodrive gewährt.
Nicht zuletzt hat auch der Ausblick ein paar Jahre in die Zukunft nicht gefehlt. Auch wenn die Frage nach der Plattform oder den Plattformen, die sich im Industrie 4.0 Zeitalter durchsetzen, nicht geklärt werden konnte, so muss sich wohl die gesamte Branche über den Weg von Plattform-Ökosystemen, also der relativ losen Kopplung von Unternehmen mittels digitaler Plattformen entlang der Wertschöpfungskette, hin zu Plattform-Ökonomie, also der Erweiterung des eigenen Unternehmens um digitale Geschäftsmodelle, Gedanken machen – und eben auch, welche Rolle man selbst dabei spielen möchte.
Der 11. Deutsche Maschinenbau-Gipfel hat im Wesentlichen gezeigt, dass die sichtbare Eintrübung der Wirtschaftslage auch ganz viel positive Energie erzeugen kann. Während man in der Hochkonjunktur noch damit beschäftigt war, die vollen Auftragsbücher abzuarbeiten, ist man jetzt noch mehr unter Druck, sich mit den Zukunftsthemen zu befassen. Die globalen Marktverhältnisse und die schnelle technologische Entwicklung sind dabei Risiken und Katalysator zu gleich. Auf eines kann sich jedoch die gesamte Branche einstellen: Die Veränderungen werden bei weitem nicht nur technisch sein. Vielmehr wird sich die Arbeitsweise massiv verändern (müssen), um die Chancen nutzen zu können.
Wollen auch Sie sich auf den Weg machen, diese Gipfel der Digitalisierung im Gebirge der Industrie 4.0 zu besteigen? Sprechen Sie uns an. Als Bergführer zeigen wir Ihnen gerne den Weg und gehen ihn gemeinsam mit innovativen, auf Sie zugeschnittenen Softwarelösungen.