In diesem Blog-Beitrag soll es um die prototypische Umsetzung eines Use Case unter Verwendung des Retrofitting-Ansatzes gehen. Retrofitting ist das Ausstatten von bestehenden Maschinen in der Produktion mit Sensoren und moderner Kommunikationstechnologie, um diese ins digitale Zeitalter holen zu können oder neuen Anforderungen begegnen zu können. Retrofitting im Detail sowie die Vorteile und Herausforderungen, die der Ansatz mit sich bringt, haben wir bereits in einem Blog-Beitrag vorgestellt. Den entsprechenden Blog-Beitrag können Sie hier finden.
Der Use Case:
In Befragungen mit Kunden der AIT konnten diverse häufig vorkommende Probleme in den Produktionen der Unternehmen festgestellt werden. Eines dieser Probleme sind hohe ungeplante Standzeiten der Maschinen. Ursachen dafür können unterschiedlicher Natur sein. Eine Ursache war beispielsweise, dass es zu lange dauert bis Service-Techniker an der Maschine sind, um die Störung zu beseitigen. Aus diesem Problem wurde folgender Use Case entwickelt:
Ziel: Die Standzeiten einer Maschine/ Fertigungsstraße sollen minimiert werden, indem Stillstände automatisiert erkannt werden und ein entsprechender Servicetechniker umgehend eine Benachrichtigung bekommt.
Trigger: Die Maschine hat einen Stillstand.
Essenzielle Schritte:
- Daten zum Zustand der Maschine auslesen können
- Stillstand bzw. Problem erkennen können.
- Maschinenbediener bzw. Service-Techniker über Stillstand informieren
Die Umsetzung:
Der Use Case wurde im Kontext einer Abschlussarbeit prototypisch umgesetzt. Im Fokus der Implementierung stand, dass die zu entwickelnde Lösung schnell und günstig realisierbar ist. Die Umsetzung erfolgt an einer Fischer Technik Taktstraße, welche die Maschine bzw. Fertigungsstraße repräsentiert:
Über der Taktstraße wurde eine Webcam als optischer Sensor installiert, welche die ganze Fertigungsstraße im Frame hat.
Als Edge Device dient ein Raspberry Pi, welcher die maschinennahe Ablauflogik enthält. Auf diesem wurde mithilfe der Open Source Library „OpenCV“, eine Programmbibliothek mit Algorithmen für die Bildverarbeitung und Computer Vision, die Verarbeitung der Daten des optischen Sensors vorgenommen.
Die aufbereiteten Daten werden anschließend an einen IoT Hub versendet, welcher für das Entgegennehmen und Routing von Daten in IoT-Anwendungen zuständig ist.
Der IoT-Hub leitet die Daten an eine programmierte Azure Function weiter, welche die Business-Logik in der Cloud enthält.
Bei der Umsetzung der Retrofitting Lösung wurde auf die Best Practices des Microsoft Azure IoT Referenz-Architekturmodell gesetzt. Daraus ergibt sich folgende Architektur für die entwickelte Retrofitting-Lösung:
Die Ergebnisse
Was erreicht werden konnte
- Daten der über die Fertigungsstraße laufenden Güter können erfasst werden:
Das Bild zeigt ein über die Taktstraße laufendes Produktionsgut, welches anhand des QR-Codes erkannt und eindeutig identifiziert werden kann. Dadurch kann eine Datenbasis geschaffen werden, die Voraussetzung für eine Vielzahl von Auswertungen und eine präzisere Steuerung der Produktion ist.
- Es kann nun erkannt werden, ob noch Güter über die Fertigungsstraße laufen oder ob ein Stillstand eingetreten ist:
Das Bild zeigt einen von der Webcam aufgenommenen Frame der Taktstraße. Der Frame wurde durch diverse Filter so angepasst, dass Bewegungen optimal erkannt werden können. Ebenso kann man erkennen, dass der implementierte Algorithmus über die Taktstraße laufende Güter erkennen konnte und weiß markiert hat.
- Bei Erkennung eines Stillstands wird mit Hilfe eines eingerichteten Azure Communication Service eine E-Mail-Benachrichtigung an einen entsprechenden Servicetechniker getriggert, welcher dann die Störung schnellstmöglich beseitigen kann:
Was lief gut bei der Implementierung:
- OpenCV Library: Für die Programmierung der Hardwarenahen Ablauflogik wurde die Open Source Library OpenCV verwendet. Dies stellte sich im Nachhinein als Entscheidung heraus, da die mitgelieferten Methoden perfekt geeignet waren für die Umsetzung des Use Case und es Online eine relativ gute Dokumentation sowie viele Beispiel zu finden sind. Wenn es für einen gewählten Sensor gut gepflegte Open Source Libraries mit ausführlicher Dokumentation gibt, kann dies eine große Hilfe darstellen und auch eine Kostenersparnis bedeuten. Unter Umständen kann man sogar einen Schritt vorher ansetzen und das Vorhandensein von guten Libraries in den Auswahlprozess des Sensors miteinfließen lassen.
- MS IoT Referenz Architekturmodell: Da Retrofitting auch unter die Kategorie der IoT-Projekte fällt kann das MS IoT Referenzmodell sehr gut angewendet werden. Es hat bei der Implementierung einen sehr guten Leitfaden für den Aufbau der Architektur geboten. Zusätzlich kommt die Spezifikation mit vielen nützlichen Best Practices und Tipps für die Umsetzung.
Was waren aufgetretene Probleme:
- Sensor: Eine Webcam ist natürlich kein industrie-konformer Sensor, jedoch konnten diverse Schwierigkeiten identifiziert werden, die beim Retrofit einer Maschine ein besonderes Augenmerk verdient haben. Zum einen ist es essenziell, dass der Sensor die benötigte technische Spezifikation zur Erfüllung der Anforderungen mitbringt. Zusätzlich sollte ausreichend Zeit zum Kalibrieren des Sensors eingeplant werden, damit dieser auf seinen optimalen Arbeitsbereich eingestellt ist.
- Cloud-Services: Das Einrichten und Verknüpfen der benötigten Azure Services sollte nicht unterschätzt werden. Immer wieder sind kleinere Schwierigkeiten aufgetreten, die gewisse Vorkenntnisse mit den Technologien voraussetzen. Durch die Expertise und Unterstützung der AIT konnten aber alle Probleme schnell gelöst werden.
Fazit:
Die Umsetzung des Retrofitting Use Case hat gezeigt, dass mit günstigen Mitteln und vergleichsweise niedrigem Aufwand Optimierungen durchgeführt werden konnten. Der Retrofitting-Ansatz bietet sich besonders an bei der Durchführung von Proof of Concepts oder Auswertungen von Maschinen, bei denen schnell erste Daten benötigt werden.