Bei dem Thema Home-Office wird sehr viel über Tools und Infrastruktur gesprochen. Das ist wichtig und das muss man auch korrigieren, wenn es noch nicht passt. Jedoch ist der weitaus schwierigere Teil, wie so oft, die Kultur. Manche sagen zwar mit einem Augenzwinkern, dass Softwareentwickler endlich mal ohne diese “lästige” soziale Interaktion arbeiten können. Doch ist es das wirklich?
Wenn man nicht im gemeinsamen Büro zusammensitzt, ist sofort ein viel höheres Maß an Vertrauen notwendig. Fragen wie “Was macht der denn die ganze Zeit?” oder “Warum hilft sie mir nicht?” können da schnell in den Kopf kommen, unbeantwortet bleiben und zum Killer des Teamgefüges werden.
Aus unserer Projekterfahrung wissen wir, dass es Unternehmen gibt, die für das Arbeiten in einem verteilten Entwicklungsteam sehr gut aufgestellt sind. Aber es gibt auch andere, denen das noch nicht so gut gelungen ist und die noch in den Startlöchern stehen. Aber es ist noch nicht zu spät.
In dieser kleinen Blogserie zu dem Thema Home-Office wollen wir auf verschiedene Aspekte dazu eingehen. Wir geben Tipps, wie sich das Arbeiten im 100% verteilten Entwicklungsteam tatsächlich meistern lässt. Wir sprechen dabei aus eigener Erfahrung, da diese Art des Arbeitens für uns der Normalfall ist.
Kleine Tipps aus unserem Alltag
Bei den Tipps in dieser Blogserie beschränken wir uns auf unsere ganz spezifischen Erfahrungen. Allgemeine Tipps zu ruhiger, abgeschlossener Umgebung und dass man nicht in Pyjama arbeiten soll, finden sich wie Sand am Meer im Netz (siehe Screenshot). Daher lassen wir diese Tipps hier bewusst außen vor, wenngleich sie dennoch sehr wichtig sind und wir diese ebenfalls beachten.
Abbildung1: Suche nach Home Office Regeln bei Google am 20.03.2020
Wenn man sich in der Softwareentwicklung an Scrum orientiert, muss man zwangsweise ein gewisses, auf Vertrauen basiertes Wertemodell leben. Selbstverpflichtung, Respekt und Offenheit sind wesentliche Merkmale solcher Teams (vgl.[1]). Auch kleine Helfer wie Daily Standups dienen dem täglichen Austausch. Hierbei ist übrigens der Einsatz von Videoübertragung absolut notwendig, um auch nonverbale Kommunikation zu ermöglichen.
Das ist jedoch nicht ausreichend, wenn man sich tage- oder gar wochenlang nicht persönlich sieht. Wir haben dafür regelmäßige Videoanrufe im Team eingeführt, so dass das Team auch mehrere Stunden entwickeln kann, aber die Teamkollegen, die weit weg sind, immer auf dem zweiten (oder dritten) Monitor im Sichtfeld hat. Das reduziert die Hemmschwelle ungemein, jemanden anzusprechen. Denn wenn ich sehe, dass meine Kollegin gerade aus seinem Tunnel auftaucht, kann ich die Gelegenheit nutzen, ihr eine Frage zu stellen. Das würde ich mich sonst vielleicht nicht trauen, weil ich besorgt bin, sie aus einem Gedanken herauszureißen. Auch kann ich so aktiv wahrnehmen, ob jemand aus meinem Team gerade verzweifelt aussieht und ihm aktiv Hilfe anbieten.
Daraus ergibt sich ein weiterer Effekt, nämlich dass sich Pausen synchronisieren. Wenn ich aufstehe, um mir kurz die Beine zu vertreten, macht das ein Kollege, der das sieht auch mal und man kann diese gemeinsame Unterbrechung für einen kurzen Small Talk nutzen. Einfach mal kurz abschalten.
Das haben wir dann auch noch weiter getrieben. Unser zentrales Werkzeug für die verteilte Kommunikation ist Microsoft Teams. Dort gibt es neben vielen themenspezifischen Räumen (auch Kanäle genannt, vgl. [2]), einen speziellen Raum, in dem sich bewusst nicht über fachliche Themen der Arbeit unterhalten wird. Dort finden dann auch mal spontane Kaffeepausen (wahlweise ist die Teilnahme natürlich auch ohne Kaffee erlaubt) statt. Das sieht dann aus, wie im nachfolgenden Screenshot gezeigt.
Abbildung 2: Aufruf zur Kaffeepause nach dem Mittagessen
Abbildung 3: Virtuelle Kaffeepause
An dieser Stelle kommen wir dann gleich wieder zum Thema Vertrauen. Wenn man dann gezeigt bekommt, dass die Kaffeepause fast 25 min gedauert hat, dann sind Fragen danach, wie lange ein einzelner Kollege jetzt Pause gemacht hat, nicht hilfreich.
Wichtig ist, dass das Team über diese Umwege den sozialen Kontakt nicht verliert. Es zählt ja nicht die Kaffeepause, sondern die Lieferung am Sprintende.
Auch eine Show-Your-Desk Challenge kann die Situation etwas auflockern. Im Büro weiß man, wie die Arbeitsumgebung der Kollegen aussieht. Im Home-Office kennt man oft nur eine Perspektive, nämlich die des Monitors bzw. der dort platzierten oder eingebauten Webcam. Warum nicht auch mal die Perspektive wechseln.
Abbildung 4: Fotos der Home-Office Arbeitsplätze
Man kann den Business Value von solchen Aktionen schwer messen oder benennen. Man kann aber durchaus feststellen, ob trotz Verteilung oder anders ausgedrückt durch Isolation, das Team weiterhin funktioniert und liefert oder eben nicht.
Ausblick
Während die Aspekte des sozialen Miteinanders für den Teamzusammenhalt wichtig sind und eine gewisse ungezwungene Nähe schaffen, braucht man natürlich auch eine vernünftige Arbeitsumgebung für die eigentliche Aufgabe. In unserem Falle der Entwicklung von Software. Dafür setzen wir Azure DevOps als Entwicklungsplattform ein (vgl. [3]). Ebenso sind Scrum Events, in komplett verteilter Umgebung durchaus herausfordernd. Doch zu diesen und weiteren Aspekten mehr in späteren Blog Posts dieser kleinen Serie.
Vielleicht können Sie im Team ein paar der Anregungen anwenden. Der nächste Blog Post dazu folgt umgehend
Quellen:
[1] https://www.scrum.org/resources/scrum-values-poster, abgerufen am 19.03.2020
[2] https://docs.microsoft.com/de-de/microsoftteams/teams-channels-overview, abgerufen am 19.03.2020
[3] https://azure.microsoft.com/de-de/services/devops/, abgerufen am 19.03.2020