Es zog sich durch beide Tage der diesjährigen Bosch Connected World: Collaboration. Niemand kann die Herausforderungen von IoT alleine stemmen. Eigentlich wurde das Thema Partnerschaft schon bei der BCW 2017 unterstrichen, doch dieses Jahr wurde es noch weiter konkretisiert und interessante Projekte vorgestellt. Alles fing mit dem “Automated Valet Parking” an, bei dem Bosch CEO Volkmar Denner und Daimler-Chef Dieter Zetsche gemeinsam im Mercedes vor das Messegelände fuhren, das Auto in der “Drop-Off Zone” abstellten und es anschließend selbständig einparken sollte.
Aber – wer kennt das nicht – Live-Demos sind immer mit einem Risiko verbunden, und auch dieses Mal klappte es nicht wie geplant. Jedoch wurde ein zuvor aufgenommenes Video abgespielt, welches eben jenen Mercedes vor dem Messegelände zeigte, der tatsächlich komplett autonom zu seinem Parkplatz fand, dabei auf Fußgänger achtete und am Ende rückwärts einparkte – ganz wie im Werbevideo versprochen wurde. Dieses Jahr noch soll das System im Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums öffentlich eingesetzt werden. Dabei soll es jedoch nicht bleiben – bis 2022 wollen beide Unternehmen selbstfahrende “Robo-Taxis” in den Städten zum Einsatz bringen.
Über viele interessante Breakout Sessions wurde jedoch deutlich, dass die Zusammenarbeit nicht erst beim autonomen Fahren wichtig ist. Sie kommt auf mehreren Ebenen zum Tragen.
Technology Collaboration
Für die technologische Zusammenarbeit spielt “Openness” eine wichtige Rolle. Offene Protokolle helfen dabei, sich auch über Unternehmensgrenzen hinweg auszutauschen und eng verzahnte, aber nicht starre Lösungen zu entwickeln. Dies fördert auch die Entstehungen einer Vielfalt von Open-Source-Komponenten, die nach Bedarf angepasst werden können.
Moderne Software besteht nur noch zu etwa 10-20% aus eigenem Code – der ganze Rest wird aus bestehenden Komponenten zusammengebaut. Da nicht jedes Mal das Rad aufs Neue erfunden werden muss, kann Software viel schneller entwickelt werden. Gerade die vielen Open-Source-Projekte haben dies ermöglicht. Vor allem der Mittelstand kann von Open-Source-Projekten profitieren: Um sich neue Technologien zu erschließen, muss keine teure proprietäre Software gekauft werden. Die Investitionen für Pilotprojekte reduzieren sich und damit sinkt für mittelständische Unternehmen die Hürde, technologisch auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
Beim Einsatz neuer Technologien und vor allem bei der flächendeckenden Vernetzung unterschiedlicher Geräte sollte die Sicherheit nicht vernachlässigt werden, was Eugene Kaspersky, CEO von Kaspersky Lab, in einer spannenden Keynote unterstrich. Er machte deutlich, dass es in unser aller Verantwortung liegt, Sicherheit in die “DNA der Software” zu integrieren, um “Hack Immunity” zu erreichen. Eine Software sei nicht nur sicher, sondern “immun” gegen Hacks, wenn der Hack selbst mehr kostet als Schaden erzeugt oder Profit daraus erwirtschaftet werden kann.
Einen konkreten Schritt in diese Richtung beim Einsatz von Fremdkomponenten in der Software zeigte Derek Weeks, Vice President von Sonatype, in seiner Session auf. Er warf die Fragen auf: Sind alle existierenden Komponenten, die in einem Produkt zum Einsatz kommen, sicher? Wer kontrolliert eigentlich die Wertschöpfungskette in der Softwareentwicklung? Auf dieses wichtige Thema werden wir in einem weiteren Blog-Beitrag gesondert eingehen.
Toolkit Collaboration
Bei all der Vielfalt an verschiedenen Technologien und Lösungen, kann man schnell den Überblick verlieren. Hier hilft es, wenn sich einheitliche Standards entwickeln.
Ein prominentes Beispiel hierfür ist Kubernetes, welches das Thema der Keynote von Chris Aniszczykat, CTO der Cloud Native Computing Foundation (CNCF), war. Die Open-Source-Software kommt bei der Orchestrierung von Container-Anwendungen zum Einsatz und wird von allen großen Cloud-Plattformen wie Microsoft Azure und Amazon AWS unterstützt. Alle großen Cloud-Plattformen beteiligen sich aktiv an der Weiterentwicklung der Software. Die Verbesserungen kommen allen zugute und es etabliert sich gleichzeitig ein gemeinsamer Standard über alle Plattformen hinweg. Bei den “Global Players” ist dieses Umdenken ankommen: Konkurrenz in einem Teil schließt die Kooperation an anderer Stelle nicht aus.
Business Collaboration
Auch auf der Business-Ebene wird Zusammenarbeit groß geschrieben. So hat beispielsweise Stefan Karlen, CEO des globalen Logistikunternehmens Panalpina, ein System zur Optimierung der Sendungsverfolgung vorgestellt. Dieses Kombiniert unter anderem Technologien von Bosch und der Deutschen Telekom. Die Sendungen werden mit Tracking TAGs versehen, um sie global zu verfolgen. Es bleibt allerdings nicht nur bei der erhöhten Transparenz der Sendungsverfolgung. Falls Probleme auftreten, z.B. durch einen verspäteten Flug, kann in Echtzeit reagiert und umgeplant werden. Dabei helfen sogenannte E-Ink-Units, die an den Sendungen angebracht sind. E-Ink-Displays kommen u.a. auch bei eBook-Readern zum Einsatz. Die E-Ink-Unit kann also aus der Cloud heraus drahtlos aktualisiert werden und neue Informationen über die geänderte Route anzeigen, z.B. in Form eines neuen QR-Codes, welcher von den Logistikmitarbeitern ausgelesen werden kann und die neuen Flugdaten enthält. Da alle Informationen in der Cloud gebündelt werden, können all diese Schritte automatisiert werden, sodass das “Thing” (also die Sendung) in der IoT-Cloud tatsächlich intelligent wird.
Doch auch der Mittelstand kann von Kooperation profitieren. So wurde ein Projekt u.a. von den Firmen Balluff, Rampf und SICK vorgestellt. Hier wurden mehrere Sensoren direkt in und an einem Maschinenbett aus Mineralguss integriert und angebracht. Der Endkunde profitiert durch eine optimale Überwachung bei Transport und Betrieb, welche sonst nicht oder auch manuell nur schwer möglich wäre. Basierend auf dem erst 18 Monate alten offenen PPM-Protokoll wurde nun dieser End-to-End-Prototyp vorgestellt. Die Zusammenarbeit beim Thema IoT ist also auch für den Mittelstand möglich und lohnt sich.
Der Weg zur Vision
Die Vision einer vernetzten und kollaborativen Produktion ist verlockend. Doch der Weg zu “Manufacturing 4.0” sollte in kleinen Schritten gegangen werden, bei welchen frühzeitig Ergebnisse erzielt werden. Eine mögliche Herangehensweise wurde ebenfalls auf der BCW beschrieben.
Schritt 1: Enablement
Zuerst müssen überhaupt die Voraussetzungen geschaffen werden. Das heißt, Sensoren müssen verbaut und eingesetzt werden, um Daten aus der realen Welt sammeln zu können. Dann muss die Vernetzung der Sensoren bereitgestellt und schließlich müssen die Daten an einer zentralen Stelle z.B. in der Cloud zusammengeführt werden.
Schritt 2: Digitize the existing eco-system
Schon die existierenden System können digitalisiert und Business Use Cases identifiziert werden. Frank Appel, CEO der Deutschen Post DHL Group, brachte eine beeindruckende Zahl mit: durch den Einsatz von Augmented Reality konnten sie in den Paketlagerzentren die Produktivität um 15% steigern – normalerweise wird schon um 1-2% gekämpft.
Weitere Use Cases sind auf dem Bosch Blog zu finden. Der erste soll hier hervorgehoben werden. Beim Test von hydraulischen Ventilen muss das eingesetzte Öl ganz bestimmte Eigenschaften erfüllen. Die Mitarbeiter mussten die Qualität manuell immer wieder prüfen, um verfälschte Testergebnisse zu vermeiden, denn sonst müssten die Tests erneut durchgeführt werden. Durch den Einsatz von Sensoren zur Überwachung der Qualität des Öls konnte diese Überwachung automatisiert und an ein Ticket-System angeschlossen werden. Stichwort Predictive Maintencane: Nun ist es möglich, im Voraus zu erkennen, dass die Qualität des Öls wahrscheinlich am nächsten Tag unter das Minimum fallen wird. Dann wird über Nacht das Öl ausgetauscht, um jeden Tag eine hohe Auslastung der Maschine zu erreichen. Insgesamt hat sich die Investition bereits nach weniger als 1,5 Jahren amortisiert. Obwohl IoT erst am Anfang des flächendeckenden Einsatzes steht, können Unternehmen schon von einfachen Änderungen oder Ergänzungen ihrer aktuellen Systeme in kurzer Zeit profitieren. Darüber hinaus werden dadurch die Grundlagen für den letzten Schritt gelegt.
Schritt 3: Create new eco-systems
Sind die Voraussetzungen geschaffen und IoT ist in die aktuellen Systeme integriert, können ganz neue Felder und Partnerschaften erschlossen werden, welche ohne IoT kaum möglich wären. Dies reicht von rein technischer Zusammenarbeit beim Thema “Robo-Taxis” bis hin zu bisher ungewöhnlichen Kollaborationen, wie beispielsweise die auf der BCW angekündigte Partnerschaft zwischen Bosch und der Munich RE – hier sollen u.a. Live-Telemetriedaten in der Risikoanalyse genutzt werden. Es ergeben sich auch ganz neue Use Cases wie “Uptime-as-a-Service”, womit Maschinenhersteller ihren Kunden über Predictive Maintenance eine garantierte Verfügbarkeit der Maschinen zusichern können.
Fazit
Die Nachricht ist klar: Niemand kann IoT in seiner Gänze alleine umsetzen. Partnerschaften sind notwendig und sinnvoll, auch zwischen eigentlichen Konkurrenten. IoT liegt aber nicht in weiter Zukunft oder ist nur den “Global Players” vorbehalten. Auch der Mittelstand kann und muss sich auf diesen Weg machen. Reale Business Use Cases existieren und warten nur darauf, auch in Ihrem Unternehmen umgesetzt zu werden.