Teil 2: Die Tipps & Tricks der Automatisierer
Im vorherigen Artikel haben wir die Prioritäten der Automatisierer skizziert und die beiden Anwendungsfälle „Greenfield“ und „Brownfield“ betrachtet und warum es oft günstiger ist, auch im „Brownfield“-Fall eine integrierte Lösung anzustreben. Und in der Tat lassen sich in einigen Fällen auch sehr alte Geräte ausgesprochen einfach an ein IIoT-Gateway oder Edge-Computer anschließen – auf die gleiche Art und Weise, wie Automatisierer dies schon lange bei der Anbindung an SCADA- und DCS-Systemen tun.
Alte CNC-Maschinen haben oft noch serielle Anschlüsse (Bildquelle: Moxa)
Herausforderung 1: Das Gerät hat nur einen seriellen Anschluss
Überraschend viele Geräte in industriellen Umgebungen haben noch serielle Anschlüsse. Bis zum Anfang des Jahrtausends war dies die dominierende industrielle Kommunikationstechnologie und der Informationsaustausch zwischen Endgerät und Steuerungsrechner ist herstellerabhängig und erfolgt über direkte Leitungsverbindungen. Der Trick hier ist die Nutzung eines Umsetzers von serieller Schnittstelle auf LAN-Schnittstelle, auf Englisch: Serial-to-Ethernet Converter. So können serielle Geräte an das Netzwerk angeschlossen werden und die Herausforderung liegt nur noch in der softwareseitigen Geräteanbindung. Mit passender Hersteller-Dokumentation ist dies meist eine lösbare Aufgabe.
Herausforderung 2: Der Anschluss ist schon in Benutzung (Beispiel Modbus)
Dies bedeutet meist, dass die Maschine in ein übergeordnetes Steuerungssystem eingebunden ist. Diese Verbindung darf natürlich nicht beeinträchtigt werden. Bei Ethernet-basierter Modbus-Kommunikation (Modbus/TCP) und standardkonformer Implementierung dürfen mehrere Computer mit dem Modbus-Gerät kommunizieren und Daten abfragen. Mit angemessenen Testplänen sollte das Projektteam in der Lage sein, anfängliche Skepsis auf der OT-Seite gegenüber der Idee zu zerstreuen, auch mit dem IIoT Gateway direkt vom Modbus/TCP-Gerät Daten abzufragen.
Bei serieller Modbus-Kommunikation (Modbus/RTU oder Modbus/ASCII) kann ein Modbus-Protokollkonverter helfen, der mit Hilfe zweier serieller Schnittstellen zwischen Gerät und Steuerungcomputer geschaltet wird. Dieser Konverter kann dann zusätzlich auch über eine Ethernet-Schnittstelle und Modbus/TCP-Kommandos Daten vom Modbus/RTU-Geräte abfragen. Solange die Bandbreite der Modbus-Abfragen so geplant wird, dass sie das Endgerät nicht überlastet, gibt es auch in diesem Fall eine einfache Möglichkeit zur „invasiven“ Datenerfassung. Bei fortgeschritteneren Lösungen fragt der Konverter die seriellen Daten sogar proaktiv ab, so dass die Daten auf der Ethernet-Schnittstelle wesentlich schneller abgenommen werden können.
Besonders beim Thema Energie-Effizienz von Unternehmen existiert oft eine große Modbus-basierte Infrastruktur von Stromzählern, deren Daten sich auf diese Weise leicht in IoT-Systeme einbinden lassen.
Feldbus-Protokollkonverter nehmen Retrofit-Projekten den Schrecken (Bildquelle: Moxa)
Auch andere Feldbus-Protokolle lassen sich durch Protokoll-Gateways einbinden, selbst wenn auf dem IIoT-Gateway oder Edge-Computer selbst kein passender Protokoll-Stack bzw. physischer Port existiert. Protokolle wie Profibus, Profinet, Ethernet/IP, DNP3, DF1, IEC-101/104, BACnet, CAN/J1939 verlieren so ihren Schrecken.
Problem 3: Die Entfernung ist zu groß
Zu große Entfernung heißt in der Regel: Das zu überwachende Endgerät ist zu weit von einem existierenden Netzwerk entfernt – für die Verwendung normaler Kupfer-Ethernet-Leitungen. Hier kommt man bei Ethernet-Verbindungen nicht über 100m hinaus und auch bei serieller Verbindung müssten signifikante Abstriche bzgl. der Bandbreite/Baudrate gemacht werden.
DSL-basierte Ethernet-Extender können bereits verlegte Zweidrahtverbindungen nutzen (Bildquelle: Moxa)
Der Trick hier: Glasfaser oder (bestehende) Kupfer-Zweidrahtleitungen. Sogenannte Medienkonverter (Glasfaser) existieren sowohl für serielle Kommunikation als auch für Ethernet-Verbindungen und erweitern die Reichweite um einige Kilometer im Falle von günstigerem Multi-Mode-Fiber und um viele Dutzend Kilometer bei der Verwendung von etwas teurerem Single-Mode-Fiber. DSL-basierte Ethernet-Extender können insbesondere bei bereits verlegten Kupfer-Zweidrahtleitungen das Netzwerk schnell und einfach erweitern. Das Schöne an Medienkonvertern: Glasfaser ist wesentlich abhörsicherer als Kupfer und kann von elektromagnetischen Feldern, wie sie etwa durch große Elektromotoren erzeugt werden, nicht gestört werden. Vor allem aber sind sowohl Medienkonverter als auch Ethernet-Extender erheblich kostengünstiger als die entsprechende Erweiterung des industriellen Netzwerks durch Switche mit Fiber-Ports oder WLAN-Access Points.
Medien-Konverter überbrücken auch große Entfernungen mit Glasfaser (Bildquelle: Moxa)
Sowohl bei der invasiven Datenerfassung als auch bei der Anbindung des IIoT-Gateways oder Edge-Computers an Cloud- oder IT-System gibt es darüber hinaus das Thema Cyber Security und wie bestehende OT-Infrastruktur und IIoT-Geräte gegenseitig voreinander geschützt werden. Auch hier gibt es Lösungsansätze, die bei gegenseitigem Verständnis und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten zu guten und effizienten Lösungen führen.
Die digitale Transformation macht vor keiner Branche auf Dauer Halt. Die möglichen Effizienz- und Innovationsgewinne, auch und gerade Energieeffizienzgewinne, sind einfach zu groß. Und Wettbewerber, die am schnellsten eine gute Balance zwischen Maschinen-Verfügbarkeit und datenbasierter Innovation erreichen, werden Marktanteile gewinnen. Mit Interesse und Offenheit können sowohl Automatisierer als auch Cloud-Entwickler in jedem Unternehmen ihren Teil dazu beitragen.